Kein Komma vor "und" – oder doch?


Oder auch: Warum die Kommasetzung manchmal verwirrend ist


Zur Interpunktion im Deutschen gibt es zahlreiche Regeln, zu denen es wiederum nicht wenige Ausnahmen zu beachten gilt. Beim Verfassen von wissenschaftlichen Haus- und Abschlussarbeiten kommt es daher häufig vor, dass man nach tage- oder wochenlangem Schreiben, Sortieren, Kürzen und Umformulieren den Blick dafür verliert, wo denn nun eigentlich noch ein Komma zu stehen hat und wo nicht. Besonders bei der Konjunktion und, von der im Allgemeinen angenommen wird, dass sie bedenkenlos ohne Komma stehen kann, gibt es einige Fallstricke zu beachten.

 

Dass vor und kein Komma steht, gilt als eine der einfachsten Regeln der Kommasetzung. Schließlich verbindet die Konjunktion und zwei gleichwertige Hauptsätze miteinander. Wozu also ein Komma setzen?

 

Tatsächlich gibt es häufig Fälle, bei denen wir dennoch vor und ein Komma setzen müssen. Nehmen wir das Thema doch einmal etwas genauer unter die Lupe.

 

Grundsätzlich gilt: Ein Komma darf nie bei nicht-satzwertigen Aufzählungen stehen.

 

Bsp.: Die Teilnehmer der Konferenz einigten sich auf eine Förderung der Elektromobilität, einen Ausbau der Infrastruktur für Radfahrer, ein Tempolimit und eine Erhöhung der Mineralölsteuer.

 

Zu der Faustregel, dass vor und grundsätzlich kein Komma benötigt wird, gibt es einige Ausnahmen, die wir nachfolgend betrachten wollen:

 

1. Und nach einem eingeschobenen Nebensatz:

 

Bsp.: Die Minister sagten dazu, dass die ökologische Sicherheit der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht, und waren sich darin einig, die Maßnahmen schnell umsetzen zu wollen.

 

Das Komma gehört hier nicht direkt zu der Konjunktion und, sondern markiert das Ende des vorausgehenden Nebensatzes.

 

ABER:

 

Bsp.: Sie sagten, dass die ökologische Sicherheit der gesamten Menschheit auf dem Spiel steht und sie die Maßnahmen schnell umsetzen wollen.

 

Die Passage "sie die Maßnahmen schnell umsetzen wollen" bezieht sich ebenfalls auf das, was die Minister gesagt haben. Daher darf kein Komma vor und gesetzt werden.

 

2. Und nach einer eingeschobenen Apposition:

 

Bsp.: Die EZB, eine der mächtigsten Institutionen der EU, und die Weltbank versprachen, die Finanzierung der Maßnahmen zu unterstützen.

 

Der Grund für das Komma ist die Abgrenzung der vorangehenden Apposition.

 

ABER:

 

Bsp.: Die EZB, eine der mächtigsten Institutionen der EU und Hüterin der Preisstabilität im Euroraum, erklärte sich dazu bereit, die Maßnahmen zu finanzieren.

 

Bei der Passage "Hüterin der Preisstabilität im Euroraum" handelt es sich um die Erweiterung der Apposition, daher wird kein Komma gesetzt (siehe oben: nicht-satzwertige Aufzählungen).

 

3. Vor ergänzendem oder erläuterndem und zwar hat stets ein Komma zu stehen!

 

Gleiches gilt für und dies sowie und das, sofern sie in der gleichen Funktion wie und zwar verwendet werden.

 

Bsp.: Die Politik muss etwas unternehmen, und zwar so bald wie möglich.

 

4. Und nach einer eingeschobenen Infinitivgruppe:

 

Bsp.: Dozenten sind dankbar dafür, gut formulierte Arbeiten zu lesen, und bewerten diese in der Regel positiver.

 

Das Komma dient der Abgrenzung der vorausgehenden Infinitivgruppe.

 

ABER:

 

Bsp.: Dozenten sind dankbar dafür, gut formulierte Arbeiten zu lesen und sprachlich nicht viel beanstanden zu müssen. Die Bewertung fällt dadurch um einiges positiver aus.

 

Hier gehört kein Komma vor und, da sich beide Sätze auf die Passage "Dozenten sind dankbar dafür" beziehen:

 

Bsp.: Sie sind dankbar dafür, gut formulierte Arbeiten zu lesen. Sie sind auch dankbar dafür, sprachlich nicht viel beanstanden zu müssen.

 

5. Werden zwei selbstständige Sätze miteinander verbunden, ist es möglich – aber nicht zwingend nötig – ein Komma vor und zu setzen:

 

Bsp.: Einige Substitute erweisen sich als relativ schwache Faktoren(,) und kein Führungssubstitut schaffte es letztendlich, das Führungsverhalten voll und gänzlich zu ersetzen.

 

Die Führenden werden entlastet(,) und Mitarbeiter erlangen größere Handlungsspielräume, in denen sie ihre Selbstbestimmung stärken.

 

Beide Kommasetzungen sind korrekt..

 

Kurzum: Es lohnt sich, bei der Zeichensetzung genauer hinzuschauen und diese auch von einem geschulten Auge überprüfen zu lassen. Man kann sich damit selbst viel Arbeit und Nerven ersparen, und das Resultat ist in den meisten Fällen wesentlich leserfreundlicher.

 

Kommaregeln lassen euch verzweifeln? Gern spüren wir falsche Kommas in eurer Abschlussarbeit auf, denn jedes unnötig gesetzte Komma reißt den Leser aus dem Lesefluss oder verändert gar den Sinn des Textes.