Gendern in wissenschaftlichen Arbeiten

Verfasst von Lektoren und Lektorinnen, Lektorierenden, Lektor*innen und LektorInnen


 

Generisches Maskulinum, Gendersternchen, Gender-Doppelpunkt, Gendergap – oder vielleicht doch etwas ganz anderes? Unterschiedliche Veröffentlichungen entscheiden sich für unterschiedliche Ausdrucksformen der genderneutralen Sprache, weshalb sich all jene, die gerade eine wissenschaftliche Arbeit verfassen, zunehmend die Frage stellen müssen, welche Art des Genderns denn nun die „richtige“ Wahl ist.

 

Mittlerweile gehört eine genderneutrale Sprache in wissenschaftlichen Arbeiten zum Standard. Da eine Abschlussarbeit möglichst genau formuliert sein sollte, werden durch eine genderneutrale Sprache alle einzubeziehenden Personen oder Gruppen angesprochen und stereotypische Rollenbilder verhindert. Da jedoch mehrere Möglichkeiten für genderneutrale Formulierungen existieren, gestaltet sich diese Thematik für viele Verfasser und Verfasserinnen verwirrend. Grundsätzlich gilt laut der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS): Geschlechtergerechte Sprache sollte verständlich, les- und vorlesbar, grammatisch korrekt, eindeutig und rechtssicher sein. Im Rahmen dieses Artikels sollen mögliche Vorgehensweisen aufgeführt sowie Vor- und Nachteile erläutert werden, um einen Überblick über diese Problematik zu schaffen.

 

 

  1. Eine häufig verwendete Schreibweise sind geschlechtsneutrale Begriffsalternativen wie "Studierende" oder "Teilnehmende". Diese sind allerdings nur in ihrer Verwendung im Plural neutral, da sie im Singular mit einem geschlechtsverweisenden Artikel verwendet werden müssen. Zusätzlich ist zu beachten, dass nicht für jeden Begriff eine geschlechtsneutrale Alternative existiert, was die Verwendung dieser Vorgehensweise erschwert. Die GfdS befürwortet diese Art des Genderns aufgrund der hohen (Vor-)Lesbarkeit und der Inklusion aller Geschlechter. Für das Sichtbarmachen von Personen, die sich dem weiblichen Geschlecht zugehörig fühlen, eignen sich geschlechtsneutrale Begriffsalternativen aufgrund ihrer Neutralität nicht – dies sollte bei der Wahl dieser Schreibweisen beachtet werden. Zusätzlich sollte die Präzision des Textes trotz Genderneutralität bestehen bleiben. Vermeidungsstrategien wie die Passivierung sind laut GfdS zwar empfehlenswert, jedoch ebenfalls anfällig für Vagheit (z. B. "Die Kaution ist zu überweisen" statt "Der Mieter muss die Kaution überweisen"). Alternativen wie Umformulierungen mithilfe eines Adjektivs oder Relativsätze können Abhilfe schaffen (z. B. "kritische Stimmen" oder "diejenigen, die Kritik üben" statt "Kritiker"). In einigen Fällen können zudem generische Substantive bedenkenlos eingesetzt werden ("Lehrkraft", "Führungskraft," "Mensch," "Mitglied"). Eine Liste mit genderneutralen Alternativen ist unter folgendem Link zu finden: https://geschicktgendern.de                                                                                                                                                                                      
  2. Doppelnennungen sind eine weitere Möglichkeit zur Umsetzung einer gendergerechten Sprache. Hierbei werden explizit männliche und weibliche Formen genannt ("Studenten und Studentinnen"; "Teilnehmer und Teilnehmerinnen"). Ein großer Nachteil dieser Schreibweise ist, dass sie dem Kommunikationsprinzip der Sprachökonomie widerspricht – das Ziel der genderinklusiven Sprache sollte im Idealfall ohne allzu großen Sprech- und Schreibaufwand erreicht werden. Der Umfang der Doppelnennungen kann bei häufiger Verwendung den Text extrem verlängern und den Lesefluss erschweren. Die GfdS empfiehlt diese Variante der genderneutralen Sprache dennoch, da es sich um die eindeutigste Art des Genderns handelt, sie immer möglich ist und zudem grammatische bzw. lexematische Besonderheiten kenntlich macht, anstatt grammatische Schwierigkeiten hervorzurufen.               
  3. Der Nachteil des hohen Umfangs und der daraus resultierenden erschwerten Lesbarkeit betrifft auch die Formulierungen mit Sternchen, Unterstrich, Doppelpunkt oder einem großen Binnen-I ("Bürger*innen", "Bürger_innen", "Bürger:innen", "BürgerInnen"). Auch hier wird der Lesefluss durch die optische Unruhe negativ beeinflusst. Zusätzlich wurde die Schreibweise mit dem Binnen-I bisher noch nicht in den Duden aufgenommen und bietet sich daher für die Verwendung in wissenschaftlichen Arbeiten eher weniger an. Als Vorteil ist zu nennen, dass die weiblichen Wortformen explizit sichtbar gemacht werden. Die GfdS rät von diesen Sparschreibungen gemeinhin ab, weil sie schnell zu grammatischen Problemen führen. Werden sie etwa verwendet, wenn männliche und weibliche Formen unterschiedliche Endungen haben, ist dies streng genommen ungrammatisch – schließlich kann die männliche Form dann nicht für sich stehen ("Kolleg*innen", "Ärzt*innen"). Lösungsversuche wie "ein*e gute*r Schüler*in" sind weder grammatisch korrekt noch eindeutig oder lesbar. Schnell kann durch diese Ungenauigkeit – und besonders beim Vorlesen – der Anschein erweckt werden, dass nur das weibliche Geschlecht inbegriffen ist bzw. bevorzugt wird.                                
  4. Die Schrägstrichlösung bietet eine weitere Möglichkeit des Genderns, die die weibliche Form explizit abbildet. Entweder werden männliche und weibliche Form beide genannt ("Schülerinnen/Schüler", "Arzt/Ärztin", "er/sie") oder die weibliche Form wird mit einem Bindestrich abgekürzt ("Schüler/-in", alle "Bewerber/-innen"). Artikel werden vor das Substantiv gesetzt ("der Schüler/die Schülerin" bzw. "der/die Schüler/-in", "ein/-e Schüler/-in"). Die Schrägstrichlösung ist orthografisch anerkannt und wird vom GfdS grundsätzlich empfohlen. Jedoch birgt auch sie die Gefahr von ungrammatischen Formen. Diese können vermieden werden, indem geprüft wird, ob ein leserlicher und korrekter Ausdruck vorliegt, wenn die Schrägstriche weggelassen werden. Der Nachteil des erschwerten Leseflusses gilt jedoch ebenfalls für diese Art des Genderns.

 

 

Am häufigsten wird die Verwendung des generischen Maskulinums in Verbindung mit einer Gendererklärung zu Beginn der Arbeit gewählt, da sie den Lesefluss nicht negativ beeinflusst oder hemmt. Die Gendererklärung hebt explizit hervor, dass sich zur Wahrung der Lesbarkeit gegen das Gendern entschieden wurde, jedoch alle Geschlechtsidentitäten gemeint sind. Sie soll verhindern, dass die ausschließliche Verwendung des Maskulinums als Ausdruck von Ignoranz oder gar diskriminierend aufgegriffen wird. Doch auch diese Form der Gendersensibilität wird von der GfdS abgelehnt. Bei dieser Herangehensweise kann schlicht nicht sichergestellt werden, dass die Leserinnen und Leser alle angesprochenen Personen bedenken, was dem Zweck einer geschlechtergerechten Sprache zuwiderläuft. Des Weiteren ist vielen Dozierenden diese Vorgehensweise nicht umfassend genug. Dieser Argumentation folgend ist das generische Femininum ebenso wenig empfehlenswert, um eine linguistische Gleichbehandlung der Geschlechter auszudrücken.

 

Grundsätzlich gilt: Bei der Wahl einer der Vorgehensweise sollte zunächst einmal der Leitfaden der Universität oder des Institutes zurate gezogen werden. Auch der Betreuer oder die Betreuerin sollten in dieses Thema einbezogen werden, da sie letztendlich die Arbeit bewerten und bestimmte Präferenzen haben könnten. Bestandteil der offiziellen Rechtschreibregeln sind neutrale Formulierungen, Doppelnennungen und das Gendern mit Schrägstrich. Aus linguistischer Sicht empfehlenswert sind insbesondere genderneutrale Begriffsalternativen und Doppelnennungen.

 

Am wichtigsten bei der Verwendung einer genderneutralen Schreibweise ist jedoch eine konsequente Anwendung. Sobald eine Vorgehensweise gewählt wurde, sollte diese in der gesamten Arbeit gleichmäßig verwendet werden, um ein einheitliches und harmonisches Erscheinungsbild zu schaffen.

 

Wurde sich für eine Variante der genderneutralen Sprache entschieden, stellen zusammengesetzte Wörter mit Personenbezeichnungen viele Verfasser und Verfasserinnen vor ein Rätsel. Es bestehen häufig Unsicherheiten, ob und, wenn ja, wie diese festen Wortformen ("Expertenwissen", "Rednerpult", "benutzerfreundlich") gegendert werden sollten. Auch hierbei existieren mehrere Möglichkeiten und Ansichten. Der GfdS rät davon ab, diese Begriffe mittels Sonderzeichen zu gendern (nicht: "Expert*innenwissen"). Der Duden befürwortet das Gendern komplexer Wörter immer dann, wenn konkret auf Personen verwiesen wird. Geschlechtsneutrale Begriffsalternativen sind hierbei das Mittel der Wahl, da sie die festen Wortformen mittels neutraler Umformulierung unberührt lassen ("Fachwissen", "Redepult", "benutzungsfreundlich"). Auch Doppelnennungen bieten sich an, da sie in vielen Fällen die Präzision gewährleisten können ("Wissen der Expertinnen und Experten"). 

 

Im Rahmen der Korrekturart "Wissenschaftliches Lektorat" prüfen wir, ob ihr in der gesamten Arbeit einheitlich gegendert habt bzw. weisen euch bei der Verwendung des generischen Maskulinums darauf hin, einen Gender-Disclaimer einzufügen. Meldet euch bei uns, wenn auch ihr ein professionelles Lektorat eurer Abschlussarbeit benötigt, und nutzt hierfür das Kontaktformular.

 

Schlagwörter: Gendern, gendergerechte Sprache, geschlechtsneutrale Sprache, Gendererklärung, Formulieren